Sammelalbum

Schön wertvoll: Kunst als Anlage

Über Jahrhunderte hinweg war das Sammeln von Kunst ein Privileg vornehmlich adliger Kreise. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde es gar zum unverkennbaren Zei- chen der Elite. Im 1528 erschienenen Traktat „Il Cortegiano“ von Baldassare Castiglione findet sich eine regelrechte Anleitung, wie man eine Sammlung angemessen besitzt. Es genüge nicht, so der Autor, wertvolle Werke zu besitzen – man müsse auch in der Lage sein, ihre Bedeutung zu erklären. Der Besitz einer Sammlung konnte einen Adelstitel ersetzen, und die Namen bedeutender Sammler wurden in die Reiseführer der Zeit aufgenommen.

Die Massenkultur hat den Zugang zum Kunstsammeln demokratisiert – ohne dem Bedeutung zu nehmen. Dafür gebührt Andy Warhol besonderer Dank. Seine Siebdrucke wurden zum Ausgangspunkt etlicher privater Sammlun- gen. Noch heute liest man in Interviews mit bekannten Sammler:innen oft den Satz: „Meine Sammlung begann mit einem Warhol.“ Was jetzt Millionen kostet, war in den 1980ern ein beinahe niederschwelliges Eintrittsticket in die Kunstwelt: erschwinglich, modisch, auffällig.

Viele große Sammler:innen unserer Zeit wurden dies eher zufällig. Oft geben sie zu: „Ich wollte einfach einen Künstler unterstützen.“ So beginnt der erste Schritt – der erste Kauf. Es folgt das Vergnügen. Dann die Sucht. Und ehe man sich versieht, entsteht eine Sammlung, die nie geplant war. Einige der bedeutendsten Museen der Welt gründen auf genau solchen privaten Passionen.

Was aber macht eine Sammlung zu einer guten? Eine gute Sammlung ist stets ein Spiegel der Persönlichkeit. Sie erzählt nicht nur von Geschmack, sondern auch von den Fragen, die man an die Welt richtet. Mitunter ist es das Streben, am Puls der Zeit zu sein. Werke zu erwerben, über die gesprochen wird – seien es die psychologisch aufgeladenen Porträts von Adrian Ghenie oder grafische Fantasien von Julie Mehretu. Eine solche Sammlung wird zum Kommentar der Gegenwartskunst. Mehr noch: Sie wird zu einem ihrer lebendigen Kapitel.

Doch es gibt auch einen anderen Weg. Den der Introspektion, der inneren Suche. Dann sammelt man nicht die Größten, sondern die Eigenen. Künstler:innen, deren Werke persönliche Fragen, Ängste oder Zweifel berühren. Das birgt eine andere Tiefe. Und ja: ein anderes Risiko. Denn hier kauft man nicht Namen, sondern Inhalte.

Mut – das einzige Kriterium? Vielleicht ist er tatsächlich die zentrale Tugend eines wahren Sammelnden. Der Mut, entweder das unermesslich Teure oder völlig Unbekannte zu erwerben. Alles andere sind Varianten davon.

Eine gute Sammlung ist stets mehr als die bloße Summe ihrer Teile. Sie atmet. Spricht. Widerspricht. Sie gleicht einem Tagebuch – geschrieben in Leinwand, Bronze oder Papier. Und wenn deine Sammlung dazu fähig ist, jemanden zu inspirieren, zu überraschen oder gar zu beunruhigen – dann: Herzlichen Glückwunsch! Du hast mehr geschaffen als ein Konvolut. Du hast ein Statement gesetzt. Vielleicht sogar ein eigenes Kunstwerk.

Julia Vorozhtsova für Finanzielle, www.finanzielle.de, 04/2025