Kaufen oder nicht kaufen?


Wer Kunst kaufen will, steht sich oft selbst im Weg – mit mangelndem Vertrauen in die eigene Fähigkeit, die richtige Wahl zu treffen. Nicht jeder traut sich, seinem Geschmack und Instinkt zu vertrauen. Viel einfacher scheint es da, anerkannte Luxusgüter zu kaufen. Marken dienen als Orientierungspunkte: Die Birkin Bag, für die man jahrelang auf einer Warteliste stehen muss, steigt allein da- durch im Wert. Ein Porsche, dessen Kaufpreis so hoch wie der einer Wohnung in Berlin ist, wird nicht hinterfragt, sondern demonstriert Status wie Lebensstil – und setzt so ein eindeutiges Zeichen.

Demgegenüber erscheint der Kauf eines einzigartigen Kunstwerks, insbesondere von einem Künstler, dessen Name noch nicht in Auktionsberichten aufgetaucht ist, eher fragwürdig. Höchstwahrscheinlich wirst du erklären müssen, warum deine Wahl auf dieses Gemälde oder jene Skulptur gefallen ist. Man wird dich nicht unbedingt verstehen, aber dich interessant finden – und mit dir den Schöpfer des Werks, das du gekauft hast.

Ist dir schon aufgefallen, dass du oft das Bild kaufen würdest, das jemand anderes schon gekauft hat? Dahinter steckt die Psychologie, dass wir der Einschätzung anderer mehr vertrauen als uns selbst. Nur bedeutet das umgekehrt, dass (noch) nicht gekaufte Gemälde (noch) keinen realen Wert haben? Wie lernt man darauf zu vertrauen, dass das Werk, das einem gefällt, auch das Richtige für einen ist – einzigartig und so an sich wertvoll?

Eine Sammlerin erzählte mir eine un- glückliche Geschichte: Sie und ihr Ehemann stießen während einer Reise auf ein Gemälde – das Richtige. Aber sie kauften es nicht! Dafür gab es gute Gründe: Es war eine längere Reise, und sie befürchteten, das Werk sei zu groß für die Wände ihres Hauses. 20 Jahre ist das her – und as Paar bereut seinen Nichtkauf bis heute. Es ist seither mehrmals umgezogen, und in jedem neuen Haus hätten sie einen wunderbaren Platz für eben dieses Bild gehabt. Höchstwahrscheinlich wäre es ihr Lebensbegleiter geworden und sie hätten den Kauf trotz etwaiger Lieferschwierigkeiten nie bereut. (Zudem ist die Anlieferung von Kunstwerken heutzutage überhaupt kein Problem mehr.)

Ja, eine ziemlich tragische Art und Weise, herauszufinden, ob ein Kunstwerk zu dir gehört oder nicht: es nicht kaufen und diese Entscheidung dann ein Leben lang bereuen. Ich wüsste da eine angenehmere Möglichkeit zu prüfen, ob ein Kunstwerk etwas für dich ist: Bevor du es erwirbst, versuche, mit ihm zu kommunizieren. Zu verstehen, wie etwa Raum und Zeit darin wahrgenommen werden. Wovon erzählt das Bild – oder auch umgekehrt, warum fehlen darin Hinweise auf Raum, Zeit und Narrativ? Achte auf die Technik: Wie und woraus ist es entstanden? Sind die Gedankenwege des Künstlers zu erkennen? Versuche or allem, deine eigene Wahrnehmung der Welt mit diesem Werk zu verbinden: Woran erinnert es dich, welche Gefühle und Assoziationen ruft es hervor? Frieden, Traurigkeit, Freude? Bereitet dir das Betrachten Vergnügen? Je vielfältiger deine Reaktionen ausfallen, je mehr Fragen du dir stellst, desto interessanter wird deine Interaktion mit dem Kunstwerk sein. Im besten Fall bleibt sie es ein Leben lang.

Das Dilemma aber, das so nicht vergeht: Was, wenn das nächste Werk des Künstlers noch besser ist, dir noch mehr zu sagen hat? Eine meiner Kundinnen, die sich nicht lange mit Zweifeln aufhielt, fand dafür einen simplen Ausweg: „Ganz einfach: Ich kaufe erst dieses und dann das nächste, das mich anspricht!“ In der Tat, was könnte einfacher sein?

Julia Vorozhtsova für Finanzielle, www.finanzielle.de, 1/2025