Es gibt zwei Haltungen zur zeitgenössischen Kunst:
Die Haltung „Ich verstehe nichts, also lasse ich mich auch nicht darauf ein“ und die entgegengesetzte Haltung „Ich will das näher kennenlernen“. Wollen ist normal und nützlich. Man muss nicht jedes einzelne Werk, Phänomen, jede Aktion oder Performance verstehen. Ihre Neugier ist eine ausreichende Bedingung, um in die Atmosphäre des Kunstmarktes einzudringen, seine Logik zu verstehen und Bedeutsames kennenzulernen.
Aus geschäftlicher Sicht ist der zeitgenössische Kunstmarkt wie ein Risikokapitalmarkt. In beiden Fällen wird der beste Effekt durch die Exklusivität, die Einzigartigkeit des Investitionsobjekts erzielt. Ein Risikokapitalgeber investiert in ein Dutzend Neugründungen, zwei Drittel von ihnen sterben, zwei bis drei Unternehmen gewinnen an Stabilität, und eines von ihnen verzeichnet ein vielfaches Wachstum, das manchmal das Hundertfache der ursprünglichen Investition beträgt. In der Kunstbranche funktioniert das ähnlich.
Die Herausforderung besteht darin, auf das Genie zu setzen, ein Meisterwerk zu finden, das sich im Laufe der Zeit als wertvoll erweisen wird. Eine Nuance: Durch den Kauf von Kunstobjekten steigern Sie deren Wert auf Kosten Ihres eigenen Ansehens. Wenn Sie eine Sammlung einer*s spezifischen Künstlerin*s oder einer Kunstrichtung aufbauen, steigern Sie mit jeder neuen Anschaffung den Wert aller Elemente dieser Sammlung.
Aber im Kunstgeschäft geht es nicht nur ums Geld. Sie investieren in die Schaffung eines Mythos, der mit Ihren Emotionen, Ihrem Image und letztlich Ihrer Stellung in der Gemeinschaft der Beteiligten verbunden ist.
Es gibt noch ein weiteres Merkmal, das den Kunstmarkt und Risikoinvestitionen näher zusammenbringt. Je früher ein Investor in ein VentureCapitalGeschäft einsteigt, desto mehr Risiko trägt er und desto höher ist am Ende sein Gewinn. Das Glück im Kunstgeschäft besteht darin, eine*n Künstler*in zu einem Zeitpunkt „aufzugreifen“, an dem das Interesse an ihm oder ihr bereits gestiegen ist, aber noch nicht seinen Höhepunkt erreicht hat. Bei Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Marina Abramovic oder Yayoi Kusama und den anderen etablierten Künstlern*innen ist man heute in Museen „zu Gast“ und kauft eventuell nur Poster ihrer Werke.
Selbst eine*n Künstler*in aufzubauen und groß zu machen hingegen ist „zwei in einem“, ein exquisites Abenteuer und ein sehr elegantes Geschäftsprojekt. Ein flüchtiger Blick auf den Kunstmarkt kann die Uneingeweihten verwirren. Es ist schwer zu sagen, ob es sich um eine Schatzkammer, einen Flohmarkt oder einen chaotischen Marktplatz handelt. Einsame Reisende in der Welt der zeitgenössischen Kunst brauchen eine Begleitung. Die Aufgabe von Galerien und Kunstexperten*innen besteht darin, eine Richtung zu finden, die Ihnen intellektuell zusagt, Ihnen lebendige Emotionen vermittelt und letztlich Ihre Investition vervielfacht.
Die zwei oben skizzierten unterschiedlichen Herangehensweisen an die zeitgenössische Kunst sind also völlig ungleichwertig. Die Position „verstehe es nicht, will es nicht“ führt auf den ausgetretenen Pfad traditioneller Vorstellungen von dem, was gut und richtig ist, auf den Pfad zuverlässiger, aber langweiliger Stereotypen ohne das persönliche Abenteuer!
Erlauben Sie sich, ein Akteur in der aktuellen Welt zu werden.
Julia Vorozhtsova, Inhaberin der Vorona Galerie