Status im Büro

Auf den ersten Blick ist das Sammeln zeitgenössischer Kunst für ein Unternehmen eine recht seltsame Tätigkeit. Warum sollte eine Versicherung, ein Hotel oder sogar eine Bank Geld für Vermögenswerte ausgeben, die nicht zum Kerngeschäft gehören? Der offensichtlichste Grund: Gemälde an den Wänden sollen die Kund:innen beeindrucken.
Und warum nicht? Kunstwerke haben eine emotionale Wirkung, ziehen die Blicke auf sich und werden oft zum Gegenstand von Gesprächen. Aber viel bedeutsamer ist ihre nonverbale Kommunikation. Ein Bild an der Bürowand, sei es in der Vorstandsetage eines Stahlkonzerns oder im Büro eines Kurierdiensts, vermittelt mehr über Zuverlässigkeit und Stabilität des Unternehmens als stundenlange Beteuerungen. Kunstobjekte, die Teil des Firmenstils geworden sind, geben Auskunft über Markenwerte, Geschmack und Ambitionen des Besitzers. Deshalb ist es so wichtig, beim Aufbau einer Unternehmenssammlung die richtige Kunstberatung zu wählen: Schließlich soll die Kunst auch für das Image des Unternehmens arbeiten.

Ihre Wertsteigerung ist da der schöne Bonus. Ein Bild für 10.000 Euro kaufen und nach ein paar Jahrzehnten für eine Million wieder verkaufen – das ist kein Zufall, es ist ein Muster. So ist der dynamischste Kunstmarkt der mit Werken lebender Künstler:innen – das bestätigt die Auktionspraxis. Eine elegante Technik, um die Preise nach oben zu treiben: Unternehmen stellen Werke junger Kunstschaffender dort aus, wo sie von ihrem wohlhabenden Publikum gesehen werden. Sie machen so auf neue Namen aufmerksam, regen zum Nachkaufen an. Was wiederum den Wert der eigenen Investition steigert.

Kunst hat also zusammengefasst drei positive Effekte für die Wirtschaft: Kommunikation, Status, Kapitalisierung. Aber es gibt Sonderfälle. Manchmal ist ein Unternehmen mit dem Sammeln so erfolgreich, dass es zu seinem neuen Kerngeschäft wird. Mitunter lohnt es so sehr, dass sich der Bau eines eigenen Museums amortisiert. Eine Sammlung oder einzelne Kunstwerke können zudem für eine Ausstellung vermietet werden.

Überrascht, dass man aus Kunst nicht nur durch ihren Verkauf Profit schlagen kann? Soll eine Sammlung aber wirklich mal Millionen wert sein, braucht es nicht nur Geschmack, sondern auch Wissen über Kontext, Trends und die Gesetze, nach denen sich der Kunstmarkt entwickelt. Und dann ist noch die Zeit – die mit der Kunst ständig konkurriert. Mal überholt die Kunst die Zeit, aber nur die Zeit hat einen Preis für die Kunst. Will man also eine Beziehung zur Kunst haben, braucht man auch eine Beziehung zur Zeit.

(Finanzielle 3/24, https://www.finanzielle.de)