Zurück in die Zukunft

Ach, hätte ich doch nur Werke des Künstlers gekauft, als sie noch günstig waren! Wer den Gedanken kennt, sollte dringend an seiner Intuition feilen – gepaart mit einer guten Investitionsprognose

In Kunst zu investieren, bedeutet, sich auf zwei Parameter zu verlassen: unsere Intuition und eine fundierte Investitionsprognose. Während Erstere zugegebenermaßen eher esoterisch ist, kann Letztere durchaus realistisch sein – sofern wir genug von Marketingtechnologien, etablierten Praktiken und Ausstellungstrends verstehen.

Daher ist es absolut notwendig, dass wir, sind wir neu im Kunstinvestment, stets die Nachrichten aus den Auktionshäusern verfolgen. Erfahren wir da von neuen „teuren Künstler:innen“, wollen wir natürlich sofort das haben, was gerade für unvorstellbare Millionen verkauft wurde. Allerdings zu einem Preis, der vor fünf oder zehn Jahren aktuell war. Vielleicht haben wir damals sogar schon von besagten Künstler:innen gehört, sie womöglich in einer Ausstellung gesehen, uns aber nicht getraut zu kaufen. Könnten wir nur zurück und unsere Entscheidung ändern! Doch es gibt keine Zeitmaschine, der Marktwert der Person hat sich verändert. Und der erste Auktionserfolg zieht die Preise aller noch vorhandenen Werke im Atelier – und der zukünftig dort entstehenden – nach oben.

Auf dem Höhepunkt der Bekanntheit zu kaufen, ist keine Investition. Das ist Mode. Die großen Sammlungen moderner Kunst ähneln sich oft sehr, mit Koons, Kusama, Hirst, Richter. Vor wenigen Jahren jagten Sammler:innen Werken von Julie Mehretu hinterher (siehe auch Hinweis links), heute stehen sie für die von Adrian Ghenie Schlange. Alle wollen dasselbe. Und treiben so die
Preise in die Höhe. Popularität birgt zudem noch ein Risiko: Fälschungen. Natürlich verkaufen hochrangige Kunstschaffende ihre Werke über professionelle Agent:innen. Doch der Run aufs schnelle Geld ist groß, und rund um populäre Namen sind somit auch stets Betrüger:innen aktiv. Irgendwann taucht immer jemand auf, dessen „schweizerischer Großvater seine Sammlung auflösen“ möchte. Und darin befindet sich – rein zufällig – ein Werk eines angesagten und teuren Künstlers…

In Zeiten von KI und Nanotechnologien die Nachahmung eines beliebigen Kunstwerks erschaffen? Einfach! Vor allem, wenn der Preis des Originals mehr als fünf Nullen hat. Und es ist schon ärgerlich, Opfer eines Betrugs zu werden, noch ärgerlicher ist aber, wenn es dabei nicht bleibt: In Berlin bekam kürzlich ein Angeklagter eine zweijährige Bewährungsstrafe für den unbeabsichtigten Verkauf einer Fälschung. Er hatte ein Werk aus „Großmutters Erbe“ gekauft und ein paar Jahre später als Original weiterverkauft – für deutlich unter dem Marktwert, aber immerhin mehr als eine halbe Million Euro. Glücklicherweise gelang es aber seinen Anwälten zu beweisen, dass der Verkauf der Fälschung unbeabsichtigt war.

Um noch mal auf Intuition und Investitionsprognose zurückzukommen: Die kommen vor allem ins Spiel, wenn man mutig ist – und Werke talentierter, aber noch nicht weithin bekannter Künstler:innen kauft. Ähnlich wie bei einer Liebesheirat in eine wohlhabende Familie bleibt auch da: ein Restrisiko. Nein, du wirst kein Geld verlieren, ein gutes Gemälde – das du intuitiv ja als solches erkannt hast – verliert mit der Zeit nicht an Wert. Aber vielleicht steigt sein Preis nicht so ins Hundertfache, wie du es dir erträumt hast. Eine lohnende Investition ist es aber allein schon deswegen, weil es dich im Laufe eures gemeinsamen Lebens immer erfreuen wird. Und du die Zeit daher sicher nie zurückdrehen willst.

Julia Vorozhtsova für Finanzielle, www.finanzielle.de, 03/2025