In der Ausstellung ghostly ships at wannsee werden 13 Gemälde der Berliner Künstlerin Christine Keruth präsentiert, die möglicherweise in dieser Form bisher noch nie realisiert wurden. Die Herausforderung Christines künstlerischen Konzepts besteht in der Symbiose der Darstellung einer jeweiligen technischen Zeichnung des beginnenden 20. Jahrhunderts und der Malerei der Gegenwart. Ihre Werkumsetzung schlägt eine Brücke zwischen technischer Präzision und künstlerischer Impulsivität. Damit schafft sie eine neue Form der visuellen Wahrnehmung.

Als Mitglied eines traditionellen Segelvereins am Berliner Wannsee entdeckt sie in dessen Kunstsammlung Schiffsrisse und Konstruktionszeichnungen von Segelyachten, die zwischen 1900 und 1911 von Otto Protzen (1868-1925) entworfen wurden. Einige Zeichnungen entstanden in Zusammenarbeit mit dem renommierten deutschen Yachtkonstrukteur Max Oertz (1871-1929).

Zum Segelrevier des Bootsdesigners, Segelsportlers, Landschaftsmalers, Radierers und Buch-Illustrators Otto Protzen gehörte die „preußische Kulturlandschaft“ mit den zum Weltkulturerbe gehörenden drei Arealen: Glienicker Park mit Pfaueninsel, Neuer Garten und Park Babelsberg. Die Künstlerin Christine Keruth greift nun die Entwürfe von Protzen auf, denn die sinnliche Anmutung der Pergamente und Blaupausen, die klare Strichführung darauf, die Beschriftung zur baulichen Umsetzung fasziniert.

Die künstlerische Gestaltung von Christine Keruth in der Gegenwart verknüpft die mathematischen Abstraktionen Protzens mit abstrahierten Motiven des Wannsees, wie sie vom Wasser aus gesehen werden. Die akkurate Linienführung bietet die Möglichkeit, Technik – in diesem Fall die Bootsbautechnik – in einen vollkommen neuen Kontext zu transformieren. Hierzu bedarf es eines tiefen Verständnisses des Aufbaus einer Konstruktionszeichnung, um das Funktionieren eines Segelbootes zu durchdringen.

Da nicht alle Entwürfe umgesetzt wurden, nennt Christine Keruth ihre Werkserie ghostly ships at wannsee. In ihren Werken lebt die Phantasie Protzens wieder auf. Die Künstlerin hat die zum Teil nie gebauten Yachten buchstäblich zu Wasser gelassen. In ihren Gemälden ist der bei Berlinern beliebte Wannsee leicht wiederzuerkennen: das tiefe Wasser des Binnengewässers, das helle Glitzern der Sonne auf der Wasseroberfläche und die charakteristische Hintergrundsilhouette.

Die ausdrucksstarke Malerei und die strengen, eleganten Linien der Zeichnungen erzeugen das Gefühl eines gespannten Pfeils. Diese visuelle Erfahrung kann mit Segeln verglichen werden – das Wasserelement, die Natur wird mit dem Intellekt des Seglers kontrastiert, seiner Fähigkeit, schnell und präzise die richtige Entscheidung zu treffen. Wer mit der Erfahrung des Segelns vertraut ist, wird diese Bilder mühelos lesen. Und wer noch nie gesegelt ist, kann das Erlebnis beim Betrachten der Bilder nachempfinden — direkt in der Galerie.

Christine Keruth studierte Malerei an der Kunsthochschule Berlin­ Weißensee. Zudem hat sie das Studium der Museologie, Volkskunde und Religionswissenschaft an der Humboldt­ Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin erfolgreich abgeschlossen. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über die Pietà­ Ikonik in der Gegenwartskunst – Modifikation und Innovation einer Bildformel.

Neben zahlreichen nationalen und internationalen Einzel­ und Gruppenausstellungen in Museen, Galerien, Kunstvereinen, Klöstern und Kirchen sind Christine Keruths Werke weltweit in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.